Tagebucheintrag 4-016 – HUAk
Sonderausstellung HUAk Enns | 2024
“Eintreffen in der Garnisonsstadt”
Ich sitze also jetzt wieder einmal im Zug, auf dem Weg zu einem neuen und gewiss auch sehr spannenden, aber auch nicht ganz so alltäglichen Erlebnis. Eigentlich kann ich mir derzeit auch noch gar nicht so richtig vorstellen, was mich in dieser Woche alles erwarten wird. Zwar habe ich in den letzten Jahren ja eh schon ein wenig einen Einblick bekommen, worum es bei den grünen Landeshütern, sprich den Soldaten der Armee dieses Landes so geht, aber jetzt einmal direkt bei einer Ausbildung hautnah dabei sein zu dürfen, ist sicher eine ganz andere und besondere Herausforderung. Nur zu wissen, was die den ganzen Tag so machen, kann einem sicher nicht das Gefühl vermitteln, wie es ist, Soldat zu sein und mit welchen speziellen Aufgaben die sich immer wieder so abmühen müssen. Ich hoffe nur, dass mir das alles im Endeffekt nicht zu viel wird. Die Soldaten sollten ja einen gewissen Grad an körperlicher Fitness mitbringen, um ihren Job ausführen zu können, und damit steht es bei mir nicht wirklich gut. Na ja, wir werden schon sehen, was das alles so wird.
Nach einer knappen zweistündigen Fahrt und einmal Umsteigen bin ich jetzt erst mal in der Stadt Enns angekommen. Es ist brütend heiß heute, aber dennoch ist die Hitze hier eine ganz andere als in der großen Stadt. Am Land geht wenigstens immer ein wenig ein Lüfterl und die Luft selbst ist auch nicht so dick. Das macht es um vieles angenehmer und erträglicher. Dennoch wird jetzt als Erstes einmal ein gemütlicher Gastgarten fällig werden. Ich habe schon bärigen Hunger und außerdem muss ich mich ja wahrscheinlich auch auf die kulinarischen Genüsse dieses Abschnittes des Landes erst wieder neu einstellen. Aber dafür habe ich ja heute auch noch genügend Zeit, da mein effektiver Dienstantritt in der Schule der Soldaten erst für morgen früh vorgesehen ist. Also auf in Richtung Zentrum und dabei die Gegend für eventuelle weiter Aktivitäten ganz genau erkunden.
Ich bin also dann mal raus aus dem Bahnhofsgebäude und jetzt war Orientieren angesagt. Denn vielleicht hätte ich mich im Vorfeld doch schon ein wenig damit beschäftigen sollen, in welcher Richtung das Zentrum von diesem Ort eigentlich liegt. Na ja, ich würde es schon finden, dachte ich mir. So schwer kann das ja auch nicht sein. Denn meistens, so habe ich es schon mitbekommen, ist in den Grätzln am Land, im Zentrum immer eine Kirche mit einem großen hohen Turm aufgestellt und den kann man von weitem auch meistens schön sehen. Also dann mal los und einfach Ausschau nach einem Turm halten.
Doch gleich bei den ersten Gassen in der näheren Umgebung des Bahnhofes ist mir etwas Komisches aufgefallen, das mich gleich wieder an den gemeinsamen Ausflug damals mit Joe erinnert hat. Diese eine erste hat doch tatsächlich Lauriacum Straße geheißen und so kamen mir unweigerlich wieder die Blödeleien der beiden Gesellen mit ihrer fremden Sprache in den Sinn. Ein paar Querstraßen weiter war es für mich Gewissheit, weil da war eben dann auch der Römergraben zu finden. Über diese Römer fällt man ja wirklich an jeder Ecke in diesem Land drüber. Ich glaube, da gibt es kaum ein Fleckerl, wo die nicht ihre Finger im Spiel gehabt haben, um so in weiterer Folge das Land auch maßgeblich mitzuprägen. Und genauso war es dann auch.
Nach ein paar weiteren Gassen bin ich bei einer relativ großen Basilika vorbeigekommen. Nur zur Anmerkung, das war wieder erwarten noch nicht das Ortszentrum, obwohl Kirche und Turm. Im Inneren bin ich dann nicht nur in das Gebäude selbst eingetreten, sondern auch in dessen Geschichte. Die haben dort im Untergeschoß nämlich quasi ein kleines Museum zusammengestellt, in welchem die Besucher inmitten der archäologischen Ausgrabungen alles über dieses Gebäude erfahren können. So haben die im zwölften Jahrhundert doch tatsächlich diese Basilika über den Mauern eines römischen Hauses gebaut und dazu auch noch die alten Steine dafür verwendet. Da ist unweigerlich einiges als Zeitzeuge von damals bis heute erhalten geblieben. Doch ich glaube, das war sicher nicht wirklich beabsichtigt, dadurch die Geschichte für die Zukunft zu erhalten. Ich bin eher davon überzeugt, dass sie einfach nur praktisch gedacht haben. Wenn eh schon alles da ist und auch noch brauchbar ist, dann müssen wir nicht unbedingt etwas Neues herstellen. Dennoch, es ist schon sehr beeindruckend, wenn man so augenscheinlich in die Vergangenheit eintreten kann. Das hat schon was.
Ich habe dann noch einige Zeit in der Basilika verbracht und habe einfach eine Zeit lang diese alte Atmosphäre auf mich einwirken lassen. Außerdem war es ganz nebenbei auch angenehm kühl da drinnen. Das ist mir aber erst dann so richtig aufgefallen, als ich meinen weiteren Marschweg in Richtung Zentrum fortgesetzt habe. Es halt einfach wirklich Sommer.
Nach einiger Zeit und ein paar Straßen, die mit ihren Namen weiterhin auf den Einfluss dieser Römer rückschließen lassen, habe ich dann endlich das Zentrum gefunden. Dort war zwar keine Kirche, wie ich ursprünglich erwartet habe, aber dennoch ein Turm mitten am Platz. Den habe ich mir natürlich erst mal genauer anschauen müssen. Die ortsansässige Bürgerschaft hat diesen vor über vierhundert Jahren als Glocken- und Wachturm gebaut und man muss genau einhundertsiebenundfünfzig mühsame Stufen überwinden, bis man ganz oben angekommen ist. Doch dann erstreckt sich eine wunderbare Aussicht über die Stadt und die nähere Umgebung. Die alten Bürgerhäuser, die rund um den Platz stehen, die Stadtbefestigung mit ihren Wällen und Gräben, die Wehrtürme und Stadttore und teilweise konnte man sogar auch in die idyllischen Innenhöfe der alten Häuser blicken. Wären nicht wie überall die stinkenden modernen Kutschen herumgefahren, hätte man meinen können, die Zeit ist hier schon seit einigen Hundert Jahren stehen geblieben.
Neben dem Stadtturm war dann auch gleich das Stadtmuseum. Man kann sich denken, was neben dem Eingang in großen Buchstaben geschrieben stand. Natürlich „Museum Lauriacum“ und im Inneren wiederum alles Mögliche von diesen Römern. Es scheint mir, als ob die irgendwie die Landesväter von diesem Land sind. Überall fällt man über die drüber. Stellt sich nur die Frage, warum die jetzt nicht mehr da sind, wenn die an jeder Ecke so viele Spuren hinterlassen haben. Oder sind eventuell die Einheimischen hier jetzt die direkten Nachkommen?
Na egal. Ich jedenfalls habe mir noch alles ganz genau in dem römischen Stadtmuseum angeschaut und habe dabei noch sehr viel über die Bedeutung dieser Stadt in den einzelnen Epochen erfahren. Auch, dass diese das älteste Stadtrecht in diesem Land hat und seit über zwei Jahrhunderten den Titel Garnisonsstadt trägt. Im kleinen Museumsladen sind dann natürlich auch wieder ein paar Fachbücher zum Thema der Geschichte dieser Gegend mitgegangen. Diese habe ich in aller Ruhe im danebenliegenden Gastgarten durchgearbeitet, der zufällig zu meiner Unterkunft für die nächsten paar Tage gehört. Natürlich war hier auch die Möglichkeit gegeben, die kulinarischen Errungenschaften dieser Region zu probieren.
So war ich an diesem späten Nachmittag mehr als zufrieden. Eine Stadt, die nur so vollgestopft ist mit historischen Geschichten, ein dazu passendes altes Ambiente und eine wirklich gute und hausgemachte Verpflegung. Was will man mehr? Ich glaube, das werden ein paar ganz entspannte Tage werden. Dennoch bin ich schon neugierig, was mich ab morgen in der Schule der Soldaten so alles erwarten wird. Heute jedoch werde ich den Abend nur noch mit meinen vielen neuen Eindrücken ausgiebig genießen und dann ordentlich ausschlafen. Morgen wird es möglicherweise ein wenig anstrengend und wahrscheinlich wieder genauso heiß wie heute.
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Standort des neuen Fotos (2024) | Enns Linzerstraße |
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