Tagebucheintrag 4-020 – HUAk
Sonderausstellung HUAk Enns | 2024
“Die Befehlsausgabe”
In der Früh habe ich dann ein schönes Zeitl vor der Unterkunft auf Vize Rudi warten müssen. Es wird ihm doch nicht etwas passiert sein, schoss es mir durch den Kopf, aber genau in diesem Augenblick ist er auch schon um die Ecke gebogen. Was mich anschließend aber schon ein wenig gewundert hat, heute hat er mich nicht gleich einsteigen lassen, sondern hat sich eine freie Standfläche für seine Kutsche auf dem Hauptplatz gesucht. Danach ist er mit geruhsamen Schritten auf mich zugekommen, hat mir einen wunderschönen guten Morgen gewünscht und gemeint, dass wir uns jetzt erst mal ein ordentliches Frühstück vergönnen werden. Ich hatte natürlich dabei schon wieder das unangenehme Gefühl, dass ich wieder irgendetwas Komisches angestellt habe, denn es sah ganz so aus, als ob meine Schnuppertage hier und jetzt vorbei sind. Doch dem war zum Glück nicht so. Der Herr Vizeleutnant hat mir anschließend erklärt, dass wir den heutigen Tag ein wenig anders gestalten werden. Denn es hat nicht viel Sinn, wenn ich die ganze Zeit über nur bei den einzelnen Übungen dabei bin, die Großteiles in diesem Ausbildungsstadium fast immer denselben Inhalt haben. Da ja doch auch noch etliche andere Soldatengruppen draußen im Gelände unterwegs waren und diese die unterschiedlichsten Aufgaben zu erfüllen hatten, wollte er mir ab jetzt einfach ein bissl mehr Einblick in den großen Bereich der auszubildenden Themen vermitteln. Sprich, wir werden ab heute einfach die einzelnen Positionen abfahren und dabei werde ich viel mehr sehen, als nur eine einzige Aufgabe, bis zur Selbstverständlichkeit zu trainieren.
Er hat mir aber, um eventuell aufkommenden Missverständnissen vorzubeugen, beim Frühstück noch alles ganz ausführlich erklärt. Die Soldaten müssen natürlich nicht nur eine Aufgabe bis zum Umfallen üben, sondern durchlaufen in einer Art Stationenbetrieb nacheinander auch alle anderen. Jedoch würde das, wie anfänglich schon besprochen, circa fünf Monate dauern und das ging sich halt in den paar Tagen für mich nicht wirklich gut aus. So schauen wir uns das quasi jetzt im Zeitraffer an. Starten werden wir am Vormittag in dem Bauernhaus am Garnisonsübungsplatz. Dort wird vorerst eine große Befehlsausgabe an alle Kommandanten stattfinden, die dann in weiterer Folge ihre Aufgaben an die einzelnen Gruppenkommandanten weitergeben werden. Hier könnte ich einmal genau zusehen, wie so etwas aufgebaut und umgesetzt wird. Anschließend werden wir weiterfahren zu den einzelnen Einheiten und werden schauen, was die daraus machen. Das war mal das Programm für den heutigen Tag. Morgen und übermorgen werden wir uns dann mit der Kommunikation im Felde beschäftigen. Da freue ich mich schon ganz besonders darauf, da ich das, was ich bisher beim Oberst im FM-Museum darüber gelernt habe, hier eventuell auch gleich praxisnah erleben kann. Das dürften also ab jetzt wirklich ein paar ganz spannende Tage werden.
Nach dem Frühstück sind wir dann wieder hinauf auf den Truppenübungsplatz gefahren. Das war allerdings ein bisschen mühsamer, da wir ja heute später unterwegs waren und zu dieser Zeit sehr viele von den anderen Leuten auch dieselbe Idee hatten. Ganz schlimm war es auf der Brücke über den großen Fluss. Da wären wir zu Fuß dreimal so schnell drüben gewesen als mit unserem Gefährt. Aber dennoch sind wir noch gerade rechtzeitig zu der großen Befehlsausgabe im Bauernhaus angekommen.
Am Vorplatz sind die Soldaten in kleinen Gruppen beisammen gestanden und haben gewartet. Im Innenhof waren die Gruppenkommandanten und Stellvertreter, und in einem eigenen Raum in der hinteren Ecke haben die Zugskommandanten gerade ihre neuen Befehle erhalten. Das dürfte wohl der Kommandoraum gewesen sein. Überall waren Karten von der näheren Umgebung ausgebreitet und in der Mitte des Raums sind alle um ebenso eine herumgestanden und ein höherer Offizier hat dort mithilfe eines langen Zeigestabs die Aufgaben für die nächsten Tage in einem zackigen militärischen Ton verteilt. Das hat sich in etwa so angehört: „Eigene Lage, so und so. Auftrag, Sicherung von Objekt Y im Raum Z durch eingeteilte Kräfte mit Wirkungsbereich sowieso. Erste Gruppe bezieht Stellung bei Objekt Flora und baut äußere Sicherung in Richtung Norden auf. Zweite Gruppe, Straßensperre auf Huberweg in Höhe Lindenallee mit Auftrag Personen und Fahrzeugkontrolle. Dritte Gruppe Aufklärung des nördlichen Abschnittes ….. “ und so weiter und so weiter. Die befehlsempfangenden Gruppenkommandanten haben alle Details brav in einem Notizbuch aufgeschrieben und nach der direkten Auftragsvergabe diesen auch wortwörtlich wiederholt. Das dürfte, glaube ich, so eine Art Bestätigung für den Kommandanten gewesen sein, dass auch wirklich alles, was er gesagt hat, so rübergekommen ist, wie es ursprünglich gemeint war. Danach sind alle nach draußen und haben sich im Innenhof verteilt, um jeder für sich und in aller Ruhe den erhaltenen Befehl für die eigenen Soldaten umzuarbeiten.
Ich habe natürlich auch versucht, das Ganze ein wenig zu kapieren und herauszufinden, wer wo welche Aufgaben mit welchen Mitteln durchführen muss. Dennoch, das war alles wirklich sehr abstrakt und ich habe wieder einmal gar nichts verstanden. Vize Rudi hat mir das dann so erklärt, dass in der Befehlsgebung grundsätzlich eine höchstmögliche Vereinheitlichung von Beschreibungen und Darlegungen erfolgen muss, um in der Anwendung immer mit den gleichen kurzen Ansprachen agieren zu können. So sind diese dann auch in einem multinationalen Verbund klar verständlich und beugen so eventuell aufkommenden Missverständnissen und Unklarheiten gleich von Haus aus vor. Darum wird dabei auch eine relative straffe Sprache sowie auch standardisierte Bezeichnungen von immer wiederkehrenden Aufgaben, Objekten, Bereichen und Orten verwendet. Das will halt auch einmal gelernt und dann ausgiebig geübt werden und genau das ist es, was hier den zukünftigen Unteroffizieren jetzt beigebracht wird. Wichtig dabei ist es aber auch, dass dann der befohlene Auftrag die Kommandohierarchie so durchläuft, dass dieser am Schluss von den einzelnen Soldaten auch richtig umgesetzt werden kann. So eine Hierarchie gliedert sich zum Beispiel vom Kompaniekommando zu den Zugskommanden und dann weiter zu den einzelnen Gruppen und Trupp Kommanden. Jeder eingeteilte Kommandant muss hierbei den Gesamtauftrag maßgeschneidert für seine Einheiten umlegen und diesen wiederum in einem eigenen Befehl weitergeben. So weiß am Ende jeder ganz genau, was er zu tun hat und was nicht, um so den gemeinsamen Auftrag bestmöglich erfüllen zu können.
Auf meine Frage, wie überhaupt so ein Befehl zustande kommt, hat mir der Herr Vizeleutnant erklärt, dass man natürlich zuerst einmal die Lage erkunden muss, um sich einen Überblick über die Herausforderung machen zu können. Diese besteht aus der eigenen und der gegnerischen Lage und beinhaltet die Situation, in der man sich befindet, und die zur Verfügung stehenden Mittel. Danach wird diese Lage beurteilt und notwendige weitere Schritte in Erwägung gezogen. Ist man sich dann klar, was man machen möchte, fällt man einen Entschluss und formuliert einen Befehl. Diesen gibt man an die Truppe weiter und diese hat diesen dann in einer vorgegebenen Zeit umzusetzen. Eigentlich ganz einfach, aber dennoch eine ganz schöne Aufgabe, die sicher ein gehöriges Potenzial an Erfahrung in sich birgt. So kann das eben auch nicht jeder einfach nur so machen.
Na, jetzt weiß ich das auch. Die Erklärungen vom Vize Rudi sind wirklich super. Da versteht man auf einmal auch die unplausibelsten Dinge, als ob sie schon immer selbstverständlich gewesen sind. Wir haben uns dann noch angesehen, was die Gruppenkommandanten aus ihren Aufgaben gemacht haben und wie sie diese an die Soldaten weitergegeben haben. Danach waren auf einmal alle weg und wir beide sind ganz alleine am Vorplatz vor dem Bauernhaus zurückgeblieben.
Video-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2024) | Garnisonsübungsplatz Treffling |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Vorbereitung zum Einsatz 1968 |
Archiv | Urheber altes Bild | Archiv Bartl / ÖBH |
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
Wenn euch die Grafiken unserer Reise gefallen haben, würden wir uns auch über eine kleine Spende freuen.
Besten Dank, das Team von Photographics