Tagebucheintrag 4-023 – HUAk
Sonderausstellung HUAk Enns | 2024
“Lernen und Lehren”
Heute schwirrt mir mal wirklich ausgiebig der Kopf. Den ganzen Tag war Lernen angesagt. Draußen hat es geregnet wie aus Kübeln und ich war froh, dass wir da nicht raus ins Gelände mussten. Dennoch, die anderen haben alle gemeint, dass dies das perfekte Jägerwetter sei und hatten dabei einen ordentlichen Grinser im Gesicht, wie ich ihn auch schon des Öfteren bei René beobachten durfte. Was sie aber genau damit gemeint haben, hat mir natürlich wieder mal keiner erklärt. Ich bin mittlerweile schon davon überzeugt, dass diesbezüglich alle Soldaten gleich sind und sie eine ordentliche Freude dabeihaben, wenn sie jemanden gehörig verschaukeln können.
Jedenfalls findet tatsächlich ein gewisser Anteil der Ausbildung zum Unteroffizier in den zahlreich vorhandenen Hörsälen der HUAk statt. Dort wird den angehenden Unteroffizieren das Basiswissen in den Themen Führen und Aufgaben im Einsatz, Ausbildungsmethodik und Führungsverhalten sowie Heereskunde und Gefechtsmittellehre vermittelt. Dieses vermittelte Wissen wird dann eben bei der praktischen Ausbildung im Gelände vertieft und angewendet. Zusätzlich gibt es natürlich auch ganz spezielle Fächer, die irgendwie auch zu der Ausbildung dazugehören, allerdings nicht wirklich viel mit der Grundaufgabe eines Soldaten zu tun haben. Da ist zum Beispiel die politische Bildung sowie die Rechtskundefächer Verfassungsrecht und Behördenorganisation, Dienst- und Besoldungsrecht, Wehrrecht und auch einige Fremdsprachenkurse. Was ich aber auch recht gut finde, ist, dass den Kursteilnehmern ab und zu angeordnet wird, im Rahmen der Ausbildung selber Lehrauftritte und Kurzvorträge durchführen zu müssen. So kann man sich sicher ein wenig mehr in der oft schwierigen Materie zurechtfinden und lernt ganz nebenbei auch das richtige Führungs- und Kommunikationsverhalten. Und das ordentlich zu beherrschen, ist ja angeblich für einen praktizierenden Unteroffizier unumgänglich.
Na ja, ich hatte heute wenigstens das Glück, dass ich nicht bei einem so rein ganz nur theoretischen Kurs dabei sein durfte. Da hätte ich wahrscheinlich außer den Wörtern „Wir machen jetzt mal zehn Minuten Pause“, rein gar nichts verstanden. Zuerst einmal durfte ich bei der Lehrveranstaltung Führungsgrundlagen ein wenig hineinhören. Das war ja am Anfang ganz interessant, denn da ist es hauptsächlich um die militärische Führung gegangen, die das geordnete Zusammenwirken der einzelnen Aufgabenbereiche gewährleistet. Dabei kommt auch der Persönlichkeit des Kommandanten eine wichtige Rolle zu, denn nur ein gutes Verhältnis und gute Zusammenarbeit zwischen ihm und den anderen Einsatz- und Unterstützungskräften führt im Endeffekt zum Erfolg. So muss er immer mit Achtung und Vertrauen, Professionalität, Kameradschaft und Bereitschaft zur Hilfe und Unterstützung an die Sache herangehen. Erst so kann er dann auch die zur Verfügung stehenden Kräfte, Mittel und Informationen zielgerichtet nach Raum und Zeit einsetzen. Doch ein bissl aufpassen muss er schon auch dabei, denn es kann jederzeit in Abhängigkeit von Auftrag und Lage schnell mal ein simpler Aufgabenbereich zur Hauptaufgabe eines ganzen Einsatzes werden. Darum ist hier die genaue Kenntnis der eigenen Befugnisse ganz wichtig und stellt darum auch eine wesentliche Grundlage für die Truppenführung dar.
Bis dahin war das alles ja noch so halbwegs verständlich für mich. Aber wie es dann mit den Truppengattungen, die wiederum in Waffengattungen zusammengefasst werden, weitergegangen ist, bin ich relativ schnell ausgestiegen aus dem Thema. Es war zwar für mich schon plausibel, dass man einzelne Gruppen bildet, die verschiedenste Aufgaben zu erfüllen haben und so diese im Einsatzfall auch richtig angesprochen werden können, aber dass es dann so viele sind, das war mir doch ein wenig zu steil. Hier nur ein kurzes Beispiel, wie sich das angefühlt hat.
Es gibt vier Truppengattungen. Das sind Führungs-, Kampf-, Kampfunterstützungs- und Logistiktruppen. Diese unterteilen sich wie folgt: Die Führungstruppe besteht aus Stabs-, Aufklärungs-, Luftraumüberwachungs-, Fernmelde- und Ordnungstruppe. Zu den Kampftruppen zählen die infanteristische Kampftruppe mit Jäger-, – Jagdkommando- und Wachtruppe, die mechanisierte Kampftruppe mit Panzer-, Panzergrenadier- und Panzerjägertruppe sowie Teile der Fliegertruppe und der Fliegerabwehrtruppe. Und so weiter und so weiter. Ich hab dann aber schon noch bis zum Schluss von der Lehreinheit durchgehalten. Verstanden allerdings habe ich nichts mehr. Dazu wird mir wahrscheinlich auch das notwendige Grundwissen fehlen, mit welchem die anderen augenscheinlich alle ausreichend gesegnet worden sind.
Nach einer kurzen Pause ist es aber auch schon weiter in die nächste Einheit gegangen. In dieser haben wir zu meinem Erstaunen keinen großen Vortrag zu irgendeinem Thema erhalten, sondern lediglich die Aufgabe bekommen, sich ein Thema auszusuchen, dieses in der nächsten Stunde zu verinnerlichen und dann den anderen Teilnehmern vorzutragen. „Super, jetzt kann ich wirklich auch noch Lehrerin spielen“, dachte ich. „Das kann ja heiter werden.“ Dennoch, da musste auch ich durch und so habe ich mir einfach einen ganz simplen Themenbereich ausgesucht, bei dem man meines Erachtens am wenigsten falsch machen kann. Ich hab mir den Marsch und alles, was so dazugehört, ausgesucht. Natürlich geht es dabei nicht um das Musikstück, sondern um die geordnete Verlegung von Truppen. Das kann doch nicht so schwer sein, dachte ich.
Jeder hat sich also anschließend die Mappe mit den Vorschriften zu seinem Thema geschnappt und sich einen ruhigen Platz im Gebäude gesucht, um den Inhalt ausgiebig zu studieren. Ich habe mich auf die Eingangsstufen unter das Vordach verzogen, da ich mir von dem leisen Regengeräusch im Hintergrund ein bissl Inspiration zu der bevorstehenden Aufgabe erhofft hatte. Und dann habe ich begonnen, die Vorschriften zur Durchführung eines richtigen Marsches zu studieren. Mir ist dann aber schnell bewusst geworden, dass auch diese vorerst einfach zu scheinende Geschichte doch viele massive Überlegungen in sich birgt, auf die ein normaler Mensch erst gar nicht kommen würde.
Zuerst unterscheidet man zwischen einem Fußmarsch und einem Motmarsch. Dann dürfen diese nur bei Nacht, auf Nebenwegen oder im Gelände durchgeführt werden und dabei ist wiederum der Kommandant dafür verantwortlich, dass alle rechtzeitig und kampffähig am Ziel ankommen. Um diesen Auftrag zu erfüllen, bedarf es auch ganz besonderer Vorbereitungsmaßnahmen, die vielleicht auch ein wenig skurril klingen mögen, aber letztendlich doch sehr sinnvoll sind. Da muss man zum Beispiel beachten, dass vor dem Antritt des Fußmarsches die Zehennägel auf zwei Millimeter zum Ansatz zurückgeschnitten werden, die Füße mit kaltem Wasser gewaschen und dann fest einpudert werden und dass man keine Socken mit Löchern anzieht. Was dann aber eher wieder ein wenig klarer ist, dass das Gepäck immer ordentlich verstaut werden muss und auch nirgends irgendwo drückt beim Tragen. Danach muss man nur mehr darauf achten, dass alles nach Befehl abgehandelt wird, geschlossene Ordnung oder Gefechtsformation und alle die Marschdisziplin einhalten und keiner mehr die Einteilung ohne Erlaubnis verlässt. Dann gibt es auch noch diverse Vorschriften, wie lange so ein Marsch dauern darf, wann Pausen zu machen sind, wann man sprechen darf und wann es eine Marscherleichterung geben darf. Ein wenig aufwendiger wird es erst bei den verschiedenen Jahreszeiten, beim Überwinden von diversen Hindernissen und wenn irgendwann mal unerwartet ein Gegner auftaucht. Da ist das alles bei einem Motmarsch viel, viel einfacher. Da fahren die ganzen Truppenkisten einfach hintereinander auf der Straße und man muss sich vorher nicht die Füße waschen. Außerdem ist das mit den Löchern auch wurscht.
Na, jedenfalls habe ich anschließend wieder erwarten angeblich einen recht guten Vortrag hingelegt. Der Ausbilder war ganz begeistert von mir. Wahrscheinlich auch aufgrund der Tatsache, dass ich mich mit der Materie nicht wirklich gut auskenne und deshalb auch nicht die bereits eingefleischte Sprachwahl von den Soldaten gewählt habe. Und außerdem war ich auch nicht verlegen, ab und zu die ganze trockene Materie ein wenig bunter auszuschmücken. Hat also ganz gut geklappt.
Als es dann doch auch ein wenig aufgehört hat zu regnen, sind wir alle raus und haben die blanke Theorie gleich mal in der Praxis angewendet. Dazu durfte ich den Kommandanten mimen und hab die anderen Kursteilnehmer in Formation und Gleichschritt den Appellplatz rauf und wieder runtergeschickt. Da hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, wie es sein muss, einmal ein Unteroffizier zu sein.
Video-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2024) | Enns |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Zeichensaal der Militär-Unterrealschule Enns 1912 |
Archiv | Urheber altes Bild | Archiv HUAk Enns |
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
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