
Tagebucheintrag 4-010 – FM-Museum

Sonderausstellung FüUS Wien | 2025
“Fernkommunikation”

Nach einer halbwegs unruhigen Nacht, mir ist die ganze Zeit die Aktion von gestern mit der Taube nicht mehr aus dem Kopf gegangen, wollte ich fünfzehn Minuten vor sieben Uhr wieder meinen Dienst beim Museum antreten. Da allerdings der Herr Oberst zu dieser frühen Zeit noch nicht anwesend war, ist mir nichts anderes übrig geblieben, als bei der Wache am Eingang auf ihn geduldig zu warten. Punkt sieben ist aber auch er eingerückt und wir haben uns als erstes in der ortsansässigen Cafeteria einen morgendlichen Kaffee vergönnt. Die Stimmung war dabei erheblich besser als gestern beim Heimgehen. Es war fast so, als ob nie irgendetwas gewesen wäre und wir haben einfach nur über dies und das geplaudert. Deshalb habe ich nach einiger Zeit auch nicht hinterm Berg halten können und den Herrn Oberst direkt gefragt, was da gestern eigentlich wirklich passiert ist und was ihn dabei doch ein wenig sehr aufgebracht hatte. Er hat vorerst einmal nur gelacht und gemeint, dass er vielleicht dabei ein wenig überreagiert hat, denn ich hätte ja noch nicht wissen können, was es mit der Taube so auf sich hat. Aber das würde er mir danach gleich drüben ausführlich erklären.
Wir sind dann nach einer Weile wieder rüber ins Museum, ich hab mir ein paar Putzlappen organisiert und dort weiter gemacht, wo ich gestern aufgehört habe und der Herr Oberst hat mir nebenbei meinen Fauxpas von gestern versucht zu erklären. „Also Mädel hör zu“, hat er begonnen. „Das mit der Taube ist so. Die gehört quasi genauso zu den Ausstellungsstücken wie all der Rest an Gerätschaften, die du hier sehen kannst. Das sind alles Dinge, mit denen man die notwendige Kommunikation bei Konfliktaustragungen herstellen und aufrechterhalten kann. Zwar sind viele davon heutzutage nicht mehr in Gebrauch, dennoch aber bilden sie eine Grundlage für Weiterentwicklungen, die letztendlich zu dem geführt haben, was wir heute so alles im Einsatz verwenden. Es waren halt zu der damaligen Zeit nur begrenzte Mittel zur Verfügung, um solche Aufgaben zu bewerkstelligen und so haben sie eben das genommen, was ihnen momentan zur Verfügung gestanden ist. So eben auch Tiere und im Speziellen aber trainierte Tauben. Diese Art der Kommunikation kennt man schon seit der Antike. Da war das neben dem selber Herumtragen die einzige Möglichkeit, über weite Entfernungen Informationen zu transportieren. Tauben haben den Vorteil, dass sie sehr schnell fliegen, außergewöhnlich gut sehen und sich hervorragend orientieren können. Sie finden von überall auf ganz einfache Weise wieder nach Hause zurück. Das hat sie auch zu einem der ersten erfolgreichen Einsatzmittel bei großen Konflikten gemacht. Dabei wurden sie erst mal an mobile Holzkisten als Heimatschlag gewöhnt, die meistens so fünfzehn bis zwanzig Kilometer von der Front entfernt aufgestellt wurden. Die Soldaten haben dann die Tiere in kleinen Körben an die Front und in die Schützengräben mitgenommen und konnten sie so von dort mit Botschaften bestückt zurück ans Feldlager schicken. Sogar in der Zeit, in der bereits bessere Verbindungen entwickelt worden waren, sind die Tiere die einzige Möglichkeit zur Kommunikation gewesen, wenn der Feind die Telegrafenleitungen zerstört hatte. Jetzt weißt du, warum du diese besondere Taube nicht einfach hast wegwerfen dürfen und ich dabei vielleicht ein wenig zu harsch reagiert habe.“
Da war mir natürlich alles klar, wobei ich dennoch zugeben muss, dass mir diese Art der Kommunikation schon einmal untergekommen ist. Aber das ist eben schon eine schöne Zeit her und ich habe in der Situation einfach nicht wirklich daran gedacht, dass dieser Vogel für die Ausstellung auch relevant sein könnte. Jetzt weiß ich es und werde es mir merken. Dennoch habe ich dann schon noch eine meiner üblichen Fragen an den Herrn Oberst stellen müssen. „Ist diese Kommunikation nicht ein wenig einseitig? Damit kann man ja quasi nur nach Hause telefonieren und in keinem Fall die Soldaten an der Front von Veränderungen informieren, oder?“ Da musste auch der Herr Oberst wieder einmal lachen. „Ja, das stimmt. Dazu war es notwendig, einen Melder nach draußen zu schicken, der aber konnte dabei auch gleich wieder ein paar Tauben für die Rückmeldung mitnehmen.“ Auf meine Gegenfrage, warum der nicht gleich auch die Antwort wieder mit heim genommen hat, war dann eine Zeit lang ein bissl sehr lange Stille und der Herr Oberst hat sich in seine Kanzlei begeben, um die wichtigen Dinge zu erledigen und ich hab weiter geputzt.
Dabei habe ich mir fest vorgenommen, doch ein wenig achtsamer die einzelnen Ausstellungsstücke zu betrachten und dabei eventuell bereits vorhandene und verdrängte Erfahrungen wieder hervorzukramen. So habe ich während meiner Arbeit dann auch etwas ganz Bekanntes gefunden, mit dem mir gleich eine neue Einsatzmöglichkeit eingefallen ist. Es waren alte Kommunikationsgeräte, die es heute nur mehr selten im Einsatz gibt. Es waren einfach nur Fackeln und Fahnen. Damit kenne ich mich wirklich gut aus. Die haben die alten Ritter damals auf ihren Burgen im Einsatz gehabt, um von einer zur anderen die notwendigen Informationen auszutauschen. Dazu musste ich also gleich mal den Herrn Oberst fragen, ob ich mir diese eventuell kurz ausleihen könne, den Julchen hat natürlich wieder mal mitbekommen, in welche Richtung ich gerade wieder meine Fühler ausgestreckt habe und bohrt mir diesbezüglich andauernd verschieden große Löcher in meinen Bauch. Das könnte jetzt die perfekte Möglichkeit sein, ihr bei einem kleinen Ausflug beizubringen, was ich gerade für eine Aufgabe habe und um was es dabei in weiterer Folge gehen würde. Dann hätte ich vielleicht eine Zeit lang ein wenig Ruhe. Der Herr Oberst hat gemeint, dass das grundsätzlich kein Problem wäre, ich ihm die Dinger aber wieder unversehrt zurückbringen müsse. Außerdem ist heute sowieso früher Schluss, da er in seinem Wald noch ein paar alte Fichten umlegen müsse, und da könne ich ja an diesem schönen Tag den Ausflug gleich auf den anstehenden Nachmittag verlegen.
Gesagt, getan. Ich hab nach der Arbeit die zwei Teile ordentlich eingepackt, bin nach Hause gedüst, hab Julchen und Günter vom Sofa runter gestaubt und wir sind anschließend alle drei zu der Staatzburg gefahren, die ich von meinem damaligen Besuch mit René und Andreas schon einmal kennenlernen durfte. Julchen war wieder erwarten, dann doch auch recht begeistert von einem kleinen Ausflug und Günter hat sich unbändig gefreut, dass es nach langer Zeit endlich wieder einen schönen und weitläufigeren Auslauf gibt. Nach der Ankunft war der Aufstieg zur Burg genauso mühsam wie beim ersten Mal mit den beiden Gesellen. Jedoch hat sich an diesem Tag der Ausblick wirklich gelohnt und wir hatten eine großartige Sicht über das flache weite Land. Das war auch genau das, was ich dabei beabsichtigt hatte. Denn jetzt konnte ich Julchen wirklich erklären, warum die Burgen großteils alle auf einem Hügel stehen und meistens so einen hohen Turm haben. Es war unter anderem wegen der direkten Sicht zueinander, um ein gewisses Gebiet ordentlich sichern zu können. Ich gebe zu, das habe ich auch erst mal begreifen müssen und kluge Leute haben mir dabei wirklich alles sehr gut erklärt. Aber jetzt konnte ich mit diesem erlangten Wissen ein wenig protzen und die Kleine war wirklich unglaublich angetan von den Geschichten, die ich ihr dabei erzählt habe. Von all den Burgherren, die bei Nacht und Nebel mit Hilfe der Fackeln versucht haben, die Nachbarn vor heraneilenden Widersachern verzweifelt zu warnen, von einsamen Burgfräulein, die ebenso versucht haben, in den faden Stunden neue Kontakte zu knüpfen oder aufrechtzuerhalten, oder nur auch die Umtriebigen, die sich einfach geheime Machenschaften und Schandtaten ausgemacht haben.
Das alles führte allerdings letztendlich dazu, dass Julchen immer mehr Interesse an dem Thema aufgebaut hat, mir dadurch ab jetzt immer größere Löcher in den Bauch bohrte und es sehr spät in der Nacht geworden ist, bis dass wir die heimatlichen Gefilde wieder betreten durften. Ergo, dies dürfte auch nicht wirklich eine sehr gute Idee gewesen sein, denn jetzt bekomme ich die kleine Kretzn erst recht nicht mehr von der Backe. Egal, wenigstens Günter hatte seine wirkliche Freude an dem Ausflug. Ohne Hintergedanken. Das zählt doch auch, oder?
Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2024) | Burgruine Staatz / Nö |
Titel eingearbeitetes altes Bild | |
Archiv | Urheber altes Bild | 3D-Grafik |
Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
Wenn euch die Grafiken unserer Reise gefallen haben, würden wir uns auch über eine kleine Spende freuen.
Besten Dank, das Team von Photographics