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Tagebucheintrag 4-011 – FM-Museum

Sonderausstellung FüUS Wien | 2025

“Das sprechende Klavier”

Copyright 2024 by Photographics | Matthäus Häupl, Wien

Nach einem mit Fragen durchbohrten Abend ist es am nächsten Tag in der Früh gekommen, wie es kommen musste. Ich habe mich schon gewundert, dass ich beim Aufstehen den Günter nirgend wo gefunden habe. Erst hab ich mir nichts dabei gedacht, jedoch als ich die Ausstellungsgegenstände vom Herrn Oberst einpacken wollte, waren diese auch nicht mehr an ihrem Platz. Erst jetzt hab ich mir ordentlich Sorgen gemacht, aber ein wenig später sind sie zum Glück doch noch allesamt heil wieder aufgetaucht. Bereitgestellt vor meiner Maschine hab ich nach dem Frühstück den Günter, das Julchen und das geschulterte Equipment zur Kommunikation wiedergefunden. Nicht, dass es deren Absicht war, mir nur beim Einladen ein wenig zu helfen, nein, die wollten heute alle mit mir mit, um noch mehr von der spannenden Thematik erfahren und erleben zu können. Mir ist ja im Nachhinein schon bewusst geworden, dass die Gschicht mit dem Ausflug möglicherweise auch wieder nicht die beste Idee war, nur wie komm ich da jetzt aus der ganzen Sache schadlos wieder heraus? Beziehungsweise, was sag ich dem Herrn Oberst, dass ich ein wenig einen Anhang mitgebracht habe? Das kann also noch lustig werden. Aber ich hab´s ja eh selber verbockt. Also Augen zu und durch, denn Julchen wird sich sicher von ihrem neuen fixen Vorhaben nicht abbringen lassen.

Jedenfalls bin ich an diesem Morgen wenigstens nicht ganz alleine bei der Wache am Tor gestanden und hab auf den Herrn Oberst gewartet. Allerdings dürfte den wachhabenden Soldaten diese neuen täglichen Erscheinungen in der Früh auch ein wenig mysteriös vorgekommen sein. Ist aber auch klar. Wenn sich lange Zeit nicht wirklich etwas Besonderes tut und auf einmal steht ein kleine Gschropp, ein Hund und ein Mädel mit Motorrad und altmodischen Stangen über der Schulter vor der Türe, dann wird das sicher alsbald für dementsprechenden Gesprächsstoff in der Kaserne sorgen. Aber auch der Herr Oberst selbst hat bei seinem Eintreffen irgendwie ein bissl komisch dreingeschaut, aufgrund des unerwarteten Gefolges, welches heute hier mit mir auf ihn gewartet hat.

Ich habe ihm das aber dann doch ein wenig plausibel erklären können, warum die heute alle mit mir mitgekommen sind und er war eigentlich gar nicht so sehr abgeneigt davon, eine weitere junge Interessentin für seine Objekte gefunden zu haben. „Denn die jungen Leute interessieren sich leider heutzutage nicht mehr wirklich für die alten Dinge, die eigentlich die Basis für das gelegt haben, was sie jetzt alle als so selbstverständlich erachten.“ Hat er ein bisschen wehmütig gemeint und sich anschließend mit Julchen gleich mal zu einer ausgiebigen Führungsstunde durch das Museum begeben. Na, ich hoffe nur, dass sich die Kleine dabei ordentlich zu benehmen weiß und dem netten Herrn Oberst nicht zu sehr mit ihren Fragen auf den Geist geht. Egal, der wird es schon machen. Ich hab die frei Zeit jedenfalls genutzt, um mich in Ruhe weiter mit der Staubentfernung aus dem Museum zu beschäftigen. Nebenbei habe ich natürlich immer wieder ein Ohr bei den beiden gehabt und ich muss sagen, der Herr Oberst hat das wirklich sehr gut gemacht. Anfänglich sind zwar immer wieder Fachausdrücke daher gekommen, die Julchen und ich noch nie gehört hatten und wir deshalb bei solchen auch keinen eindeutigen Bezug zu den Ausstellungsobjekten herstellen konnten, doch mit der Zeit sind seine Erklärungen immer einfacher geworden. So haben wir uns dann auch selbst bei den unverständlichsten technischen Vorgängen etwas vorstellen können.

Ein paar Stunden später hat aber der Herr Oberst zu einer Besprechung ins Kommandogebäude müssen und die Kleine hat mir einstweilen brav bei meinen noch anstehenden Putztätigkeiten geholfen. Dabei haben wir auch jede Menge Zeit gefunden, um über all die technischen Errungenschaften, die es in diesem Museum zu bestaunen gibt, zu plaudern. Diesmal allerdings hatte Julchen die Oberhand und hat mir zu jedem Objekt die jeweilige Geschichte und Erklärung abgeliefert. Zwar hat sie dabei doch einiges gehörig durcheinandergebracht, als Museumsführerin geht sie zurzeit noch nicht wirklich durch, aber ich muss schon sagen, die hat sich wirklich fast alles vom Herrn Oberst gemerkt. Faszinierend. Mir ist noch nie aufgefallen, was da alles in ihren kleinen Kopf so hinein geht. Wenn sie sich jetzt auch noch bemüht, die Geschichten in Zukunft den richtigen Ausstellungsstücken zuzuordnen, dann hat der Herr Oberst als baldigst eine weitere Arbeitskraft, auf die er im Notfall zurückgreifen kann. Wenn er möchte.

Wie wir dann unsere allgemeinen Reinigungstätigkeiten in den hinteren Raum des Museums verlagert haben, hat natürlich die Kleine sofort wieder etwas Neues zum Spielen gefunden. Gleich hinter der Tür ist ein etwas größerer Apparat gestanden, an dem in seinem vorderen Bereich weiße und schwarze Tasten montiert waren. So etwas habe ich bei meinem ersten Besuch in eurer Welt schon einmal gesehen und so habe ich Julia erklärt, dass das ein Klavier sei und mit so etwas kann man ganz wunderschöne Melodien erzeugen. Wenn man lange übt und weiß, wie es geht. Das musste natürlich sofort einmal ausprobiert werden. Doch zu unser beider Erstaunen tat sich gar nichts. Kein Ton, kein falsches Geklimper oder sonst ein Laut ergab sich, wenn man auf den Tasten herumgedrückt hat. Wahrscheinlich ist dieses Gerät kaputt, war dementsprechend die erste Erkenntnis von Julchen. So haben wir halt das Klavier Klavier sein lassen und uns der weiteren Entstaubung der Objekte gewidmet.

Einige Zeit später ist auf einmal ein älterer Herr mit einer sehr großen alten Ledertasche mitten im Museum gestanden und hat uns ein Zeitl ein wenig skeptisch bei der Arbeit beobachtet. Irgendwann hat er sich dazu durchgerungen, mich zu fragen, was wir da eigentlich gerade machen und wo leicht der Herr Oberst sei und warum das Museum offen ist, wenn er nicht da ist. Ich habe ihm erklärt, dass wir quasi für ein paar Tage seine neuen Gehilfen sind und er gerade in einer Besprechung im Kommandohaus verweilt. Müsste aber demnächst gleich wieder kommen. Der alte Herr hat nur verständnisvoll genickt und sich ohne weitere Worte zu dem Gerät mit den Tasten gesetzt. Hat dieses aufgeklappt, sein Werkzeug aus der Ledertasche auf dem daneben stehenden Tisch ausgebreitet und anschließend begonnen, im Inneren des Kastens herumzuschrauben. In dem Moment war es natürlich auch mit der Hilfeleistung von der Kleinen vorbei, denn ab jetzt war nur mehr die Arbeit des alten Herrn von ausgeprägtem Interesse besetzt. Ich muss aber zugeben, auch mich hat dies weitaus mehr interessiert als das Putzen von Gerätschaften, deren Gebrauch und Bedeutung ich zu diesem Zeitpunkt eh noch gar nicht genau einordnen konnte.

Ich hab dann geschaut, dass ich so schnell als möglich zumindest den einen kleine Bereich, den ich angefangen hatte, fertigzumachen, um mich anschließend zu den beiden dazuzugesellen und so auch ein wenig mehr über dieses komische Klavier in Erfahrung bringen zu können.

Wir sind dann auch recht schnell neben seiner Arbeit ins Gespräch gekommen und der ältere Herr hat sich als ehemaliger Oberwachtmeister der Armee dieses Landes vorgestellt, der in seiner zivilen Tätigkeit sehr lange Jahre als Leiter der Lehrwerkstätte in einer der größten Elektrofirmen in diesem Land seine Brötchen verdient hat. Jetzt beschäftigt er sich seit seinem verdienten Pensionsantritt, nebenbei, so wie wir, nur mehr damit, dem Herrn Oberst unter die Arme zu greifen und ihm bei der Wiederherstellung von den alten Gerätschaften behilflich zu sein. Er hat seither auch schon sehr viele Apparate in dem Museum wieder zum Laufen gebracht. „Und das liebe Mädels,“, hat er anschließend gemeint „ist kein Klavier. Das schaut zwar beim ersten Hinschauen aus wie eines ist aber keins. Das ist einer der ersten Telegraphenapparate, mit denen man erstmals ganze Texte auf einfache Weise verschicken konnte. Das ist eigentlich ein sehr komplexes Gerät für die damalige Zeit und war gar nicht so einfach zu bauen und zu verwenden. Die Klaviatur, die ihr da seht, dient zur Eingabe der einzelnen Buchstaben und nicht zur Erzeugung von Melodien. Wie dieses Ding aber genau funktioniert, kann euch am besten der Herr Oberst erklären, wenn er dann wieder zurückkommt. Ich muss jetzt erst mal schauen, dass ich das Teil wieder zum Laufen bekomme.“

Der schelmische und teilweise verachtende Blick, den mir Julchen im Anschluss zugeworfen hat, hat mich davon überzeugt, dass sie mir in nächster Zeit nicht mehr alles so ohne weitere Bestätigung glauben wird. Ich gebe zu, mit dem Klavier bin ich wirklich ordentlich falschgelegen. Aber was solls. Kann ja auch mal passieren.


Podcast-Erklärung und Informationen zum Thema


Informationen zu der Grafik

Standort des neuen Fotos (2024)FM-Sammlung – Starhemberg Kaserne
Titel eingearbeitetes altes BildHughes Schreibmaschinentelegraf um 1900
Archiv | Urheber altes BildObst Prikowitsch / FM-Sammlung

Die Bilder der Originalausstellung sind im Format Format 120x90cm / Leinwand auf Keilrahmen / von echtleinwand | Wien produziert worden.

www.echtleinwand.at

Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at


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Besten Dank, das Team von Photographics






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