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Tagebucheintrag 4-017 – HUAk

Sonderausstellung HUAk Enns | 2024

“Die Schule der Soldaten”

Copyright 2024 by Photographics | Matthäus Häupl, Wien

Heute war dann wieder einmal zeitliches Aufstehen angesagt, denn ich sollte ja schon um halb acht in der Schule der Soldaten zu meinen Schnuppertagen antreten. Doch wie es einfach so sein muss, habe ich auch an diesem Tag gleich erst mal verschlafen. Ich führe diesen Umstand natürlich auf die frische Luft auf dem Lande zurück, oder habe ich mich vielleicht doch gestern Abend noch ein wenig zu lange mit der Geschichte dieser Garnisonsstadt beschäftigt. Na egal. Jedenfalls war halt nichts mehr mit geruhsamem Frühstücken, deshalb musste ich die beiden Buttersemmeln, die ich mir noch schnell zusammen gerichtet habe, beim morgendlichen Anmarsch verzehren. Ganz ohne den notwendigen und aufmunternden Kaffee, der mir immer dabei hilft, den anstehenden Tag ein wenig freundlicher und aufmerksamer zu beginnen.

Gut. Ich bin dann aber doch noch halbwegs rechtzeitig bei der Schule eingetroffen. Doch dort hat auch schon die nächste Herausforderung auf mich gewartet. Es war nämlich gar nicht so einfach, da so ohne weiteres hineinzukommen. Konkret bin ich bei der Wache am Tor hängen geblieben, die für die Sicherheit der Kaserne zuständig ist. Der Grund dafür ist relativ einfach erklärt, ich habe keinen passenden Ausweis, der mich für den Zutritt berechtigt und außerdem waren die auch nicht informiert worden, dass ich heute meine Schnuppertage antreten werde. Also war erst mal langes Herumfragen angesagt, bis die dann letztendlich jemanden gefunden hatten, der Bescheid gewusst hat. Dennoch musste ich noch eine geraume Zeit außerhalb des Schranken warten, bis mich ein netter Soldat bei der Wache abgeholt hat. Anders war nur, der hatte nicht so eine olivgrüne Uniform angehabt, wie ich sie schon ein paarmal bei den anderen Soldaten gesehen habe, sondern eher so eine Art grünen Fleckerlteppich, der irgendwie ein wenig komisch ausgeschaut hat.

Na ja, jedenfalls ist dieser Soldat direkt auf mich zugekommen, hat sich als Vizeleutnant Rudi vorgestellt und hat mir erklärt, dass er hier in der Kaserne der Kommandounteroffizier ist und mich ab jetzt in den nächsten Tagen begleiten wird. Das heißt auch, falls ich irgendwann einmal irgendwelche Fragen habe, könne ich gerne zu ihm kommen und er wird mir dann alles ganz genau erklären. Super, dachte ich, so haben sich meine anfänglichen Bedenken, wie ich mich alleine in dieser unbekannten Welt zurechtfinden sollte, schon mal auf einfachste Weise erledigt. Ich fühlte mich schon wieder ein wenig sicherer. Dennoch hatte ich doch schon noch großen Respekt vor dem, was mich demnächst alles so erwarten wird.

„Ich werde dir als Erstes einmal kurz erklären, was jetzt alles so auf dem Programm steht“, meinte er und erzählte mir weiter, dass wir jetzt gleich mal einen kurzen Rundgang durch die Anlage machen werden und er mir dabei ein wenig, was über die HUAk berichten wird. Danach muss ich mir meine Ausrüstung für die nächsten Tage aus fassen, beim Kommandanten der Schule vorstellig werden und nach dem Mittagessen um elf tritt dann der gesamte Kurs vor dem Kommandogebäude an und dann gehts auch schon los mit der Ausbildung. Na Servus, dachte ich. Wenn das in dem Tempo so weitergeht, dann kann es leicht sein, dass ich schnell an dem Punkt angekommen bin, an dem ich nicht mehr weiterkommen werde. Doch der Herr Vizeleutnant hat mich gleich wieder beruhigt. Für mich ist es nur am Anfang ein wenig stressig, da ich im Gegensatz zu den anderen Soldaten halt noch ein paar zusätzliche und grundlegende Sachen zu erledigen habe, wie zum Beispiel eben das mit der Ausrüstung. Eine solche haben die anderen ja alle schon. „Wirst sehen, wir werden das alles in aller Ruhe hinbekommen“, meinte er.

Bei unserem anschließenden Spaziergang durch die Kaserne hat er mir erzählt, dass das Gebäude der Heeresunteroffiziersakademie in Enns von neunzehnhundert sechs bis neunzehnhundert acht als Militärunterrealschule oder Kadettenschule erbaut worden ist. Sie diente damals dazu, Jugendliche in vier Jahrgängen auf die bevorstehende Militärakademie vorzubereiten und war mit einem Oberstufenrealgymnasium vergleichbar. Anfänglich haben die pro Jahr so um die hundertsechzig Zöglinge unterrichtet. Nach dem ersten großen Krieg ist dem Land dann laut Friedensvertrag zur Heranbildung des Offiziersnachwuchses die Aufstellung einer einzigen Militärschule zugestanden worden. Da haben sie dann die Heeresschule mit dem Kommando und den Offiziersanwärterkursen in Enns aufgestellt. Im Jahr neunzehnhundert zweiundzwanzig begann dann so richtig die Ausbildung und schon in den Jahren bis neunzehnhundert vierunddreißig haben sie schon vierhundert Offizieren das notwendige Handwerk beigebracht.

Im Jahr dreiundfünfzig ist dann die B-Gendarmerie eingezogen und schon Februar sechsundfünfzig sind die ersten zwanzig Offiziersanwärter dieser ausgemustert. Erst im Jahr achtundfünfzig war dann die wirkliche Geburtsstunde der Heersunteroffiziersschule als zentrale Ausbildungsstätte aller Unteroffiziere des österreichischen Bundesheeres. Der Organisationsplan der Heeresunteroffiziersakademie, die Ausbildungsinhalte und die zeitliche Dauer der einzelnen Kurse wurden im Laufe der Jahre immer wieder den aktuellen Erfordernissen angepasst. Jetzt bilden die dort Unteroffiziere und Stabsunteroffiziere für alle nationalen und internationalen Anforderungen aus. Genauso haben sie aber auch die verschiedensten anderen Fortbildungsangebote, auch für Zivilbedienstete. Wie zum Beispiel Seminare in Persönlichkeitsbildung, Rechtskunde, politische Bildung und so weiter und so weiter. Auch machen die natürlich auch Lehrgänge für Soldaten von anderen befreundeten Streitkräften. Das finde ich auch super, da dadurch auch sicher andere und vielleicht auch neue Perspektiven und Anforderungen einfließen können. Man muss halt nur ordentlich aufpassen, dass man sich nicht einmal versehentlich seinen möglicherweise zukünftigen Gegner etwas Essenzielles beibringt.

Als Nächstes stand jetzt Ausrüstung ausfassen auf der Agenda. Dazu sind wir in einem der Gebäude in den Keller marschiert und ich habe dort zu meiner ganz großen Freude auch so einen Fleckerlteppich bekommen. „Das ist jetzt dein Gewand für die nächsten paar Tage. Dein Privates kannst du morgen in der Früh gleich in der Unterkunft lassen.“, hat Vize Rudi anschließend gemeint. Allerdings nicht ohne einen leichten Grinser dabei aufzusetzen. Wahrscheinlich ist in mein überschwänglich begeistertes Gesicht beim Empfang der Kleidung aufgefallen. Aber damit muss ich mich wohl oder übel anfreunden, obwohl ich so etwas nicht wirklich mag, wenn jemand das Gleiche wie ich anhat. Aber eigentlich haben die anderen ja nicht das Gleiche wie ich an, sondern ich das gleiche wie sie. Na gut, ist halt so. Das geht auch mal vorbei und vielleicht hat es ja auch einen Vorteil. Mal sehen.

So habe ich mich dann doch ein wenig missmutig um adjustiert und meine privaten Sachen in meinem Rucksack verstaut. Irgendwie hat sich ab jetzt aber ein wenig ein anderes Gefühl eingestellt, welches ich noch nicht ganz so genau beschreiben konnte. Ich fühlte mich auf einmal nicht mehr alleine, obwohl ich bis auf den Vize Rudi keinen einzigen in der Kaserne bis jetzt kennenlernen durfte. Ganz besonders ist mir das beim Mittagessen aufgefallen. Dazu sind wir in einen ziemlich großen Speisesaal gegangen. An der linken Seite war die große Essensausgabe und in der Mitte waren ganz viele Tische in Reih und Glied aufgestellt. Große Fenster sorgten für die notwendige Lichtdurchflutung und boten einen schönen Blick auf das Kasernenareal. Überall saßen die Soldaten und verspeisten in aller Ruhe ihr Essen. Ich schnappte mir auch ein Tablett, fasste das Besteck aus, bekam von der freundlichen Dame hinter der Budl die Speise bereits auf einem Teller vorgerichtet und setzte mich einfach an einen freien Platz. Kurz darauf kamen weitere Soldaten mit dem Tablett in der Hand, fragten freundlich, ob hier noch frei wäre, setzten sich auch hin und wir kamen unweigerlich sofort ins Gespräch. Ganz so, als ob wir uns schon etliche Tage kennen würden. Und da wurde es mir es erstmalig so richtig bewusst, dass dieses Gewand unweigerlich auch eine gewisse Zusammengehörigkeit in sich trägt, die Vorurteile von Haus aus gar nicht aufkommen lässt und so das gegenseitige Vertrauen sofort herstellt. Das ist quasi die augenscheinliche Visitenkarte, dass man auch einer von ihnen ist. Ein komisches, aber nicht unangenehmes Gefühl.


Video-Erklärung und Informationen zum Thema


Informationen zu der Grafik

Standort des neuen Fotos (2024)HUAk Enns / Forstbergstraße
Titel eingearbeitetes altes BildK u. K Militär Unterrealschule 1912
Archiv | Urheber altes BildArchiv HUAk Enns / Postkarte

Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at


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Besten Dank, das Team von Photographics






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