Tagebucheintrag 4-021 – HUAk
Sonderausstellung HUAk Enns | 2024
“Lautlose Sprache”
Und jetzt? „Jetzt gehen wir erst mal etwas Ordentliches zu Mittag essen“, hat Vize Rudi gemeint. „Denn wir sind ja mit dem Auto unterwegs, jedoch die Soldaten müssen alle leider zu Fuß marschieren und darum werden sie ein wenig Zeit brauchen, bis sie in ihren zugewiesenen Einsatzraum bezogen haben. Also haben wir ein wenig Pause.“ Na ja, wir sind dann halt wieder hinausgefahren aus dem Truppenübungsplatz und ein Stück weiter war gleich neben der Straße eine ganz nette Gastwirtschaft. Dort sind wir im einstweilen noch leeren Gastgarten eingelaufen und beim Durcharbeiten der Speisenkarte war wieder einmal die große Resignation angebracht. Da waren lauter Speisen drinnen aufgelistet, die nach ihrer Bezeichnung her schon mal ordentlich Guster gemacht haben. Gebratene Maishendlbrust, Aisttaler Saiblings Filet, Backhendl mit Kürbiskernpanier, gratinierter Ziegenkäse, Wirtshauspasta und so weiter und so weiter. Bei diesem Angebot war es einem unmöglich, die richtige Auswahl zu treffen und da wir wahrscheinlich nicht die Zeit hatten, alles einmal durchprobieren zu können, ist es halt auch diesmal wieder der obligatorische Schweinsbraten mit einer gehörigen Portion Preiselbeeren geworden. Das war auf jeden Fall kein Fehler, denn der hat außergewöhnlich gut geschmeckt. Eines muss man schon sagen, kochen können die wirklich da heraußen in der Provinz.
Nach einer abschließenden Haustorte und einem Kaffee haben wir uns wieder auf den Weg gemacht. Vize Rudi ist zielstrebig alle Positionen angefahren, an denen die Soldatengruppen mit den unterschiedlichsten Übungsaufgaben beschäftigt gewesen sind. Das war allerdings für mich gar nicht so einfach nachzuvollziehen, da die alle ihre Aufgaben quasi unsichtbar erledigt haben. Die waren zusätzlich zu ihrer Fleckerlteppichuniform auch noch voll getarnt und so hat es schon ein wenig Mühe bedurft, die im Unterholz alle zu entdecken. Einige haben sich in selbst gebauten Stellungen eingerichtet und die Sicherung der Umgebung aufgebaut, andere wiederum sind unter vollem Feuer durch den Wald gestürmt und manche haben wir bei diversen Einweisungen und Besprechungen in einem Zeltlager gefunden. Am Rande einer Lichtung ist uns eine Gruppe entgegengekommen, die haben alle ein ganz besonderes Gewand angehabt und auch so ein komisches Schnüffelding vor dem Gesicht getragen. Von weitem haben die ausgesehen wie olivgrüne Hornissen. Zielstrebig sind sie zu einem Platz gegangen, wo mit Planen so eine Art offener Raum aufgebaut war und dort sind sie von anderen Soldaten ordentlich gewaschen worden.
Bis hier her habe ich mir die ganzen verschiedenen Szenarien aufmerksam angeschaut. Erst als wir eine weitere Gruppe gefunden haben, die gerade dabei war, meine Überzeugung nach einem erfrischenden Bade im nahen Fluss zu frönen, ist Vize Rudi drauf gekommen, dass es jetzt vielleicht wirklich höchste Zeit wäre, mir die ganzen Vorgänge der letzten Stunden mal ein wenig genauer zu erklären. Ich hab dann erfahren, dass die einzelnen Positionen, die wir bis jetzt abgefahren sind, alle zu einer übergeordneten größeren Aufgabe gehören. Das ist quasi so eine Art Prüfung für die Kursteilnehmer. Die müssen nämlich in dieser Woche eine Belastungsübung bestehen, um ergründen zu können, ob sie für die Dienstvoraussetzungen als zukünftiger Unteroffizier geeignet sind. Diese Übung setzt sich zusammen aus einem hundert Kilometer Marsch, diversen Gefechtsaufgaben, Schlafmangel wegstecken, dreißig Kilo Rückengepäck tragen und dabei noch beinhart durchbeißen. Da sind also jetzt einhundertfünfzehn Soldaten Tag und Nacht im Gelände unterwegs und werden auf Herz und Nieren genauestens geprüft. Wenn dabei einer aus welchen Gründen auch immer ausscheidet, kann er das Ganze noch einmal durchmachen. Aber diejenigen, die es am Ende schaffen, erhalten als Draufgabe die Überzeugung, dass sie das Zeug für die Einsätze und Übungen beziehungsweise auch die Verantwortung für komplizierte Aufträge und Soldaten übernehmen können. Übrigens sind die Soldaten von vorhin nicht baden gegangen. Nein, die mussten nur mit dem gesamten Gepäck ihren Marschweg durch den großen Fluss fortsetzen.
Ich war ab jetzt fest davon überzeugt, dass ein richtiges Soldatenleben für mich wirklich nichts ist. Dennoch hat mich dieses Thema weiterhin brennend interessiert und deshalb war an dieser Stelle keinesfalls an Abbruch zu denken. Nein, im Gegenteil, mein Wissensdurst diesbezüglich ist immer größer geworden. Es steht ja nirgends geschrieben, dass man alles, was man weiß, auch wirklich immer praktizieren muss.
So sind wir beide dann weiter in Richtung der Stadt Enns gefahren und haben dabei noch der einen oder anderen Einheit bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zugesehen. Die letzte für heute haben wir mitten im Stadtgebiet kurz vor der Kaserne gefunden. Dort sind die Soldaten flink zwischen den Häusern hin und her gehuscht und haben dabei mit den Händen dauernd in der Luft herumgefuchtelt. Es war faszinierend anzuschauen. Trotz der eher hohen Bewegungsgeschwindigkeit hat man keinerlei Geräusch, von denen gehört. Lediglich das übliche Vogelgezwitscher und das weit entfernte Brummen der Benzinkutschen war zu vernehmen. Irgendwie ist in mir beim Betrachten dieses Geschehens schon ein wenig ein flaues Gefühl aufgekommen. Man muss sich nur mal vorstellen, wie es ist, wenn diese Horde Soldaten ohne die geringste Vorwarnung auf einmal vor einem stehen. Da hat man ja überhaupt keine Reaktionszeit mehr zur Verfügung. Vize Rudi hat mir erklärt, dass es sich bei diesem Übungsszenario um einen Häuserkampf handelt. Hier geht es hauptsächlich darum, dass man möglichst alle zur Verfügung stehenden Deckungen bestmöglich ausnutzt, darauf achtgibt, dass sich nirgends in einem Haus ein Gegner versteckt und man mit der ganzen Gruppe so leise als nur irgendwie möglich sein angefordertes Ziel erreicht. Das „Herumfuchteln in der Luft“, wie ich es nenne, ist dabei eine eigene Zeichensprache, mit der sich die Soldaten eben auch lautlos gegenseitig die Informationen zukommen lassen können. Vize Rudi hat mich anschließend aber gleich zum ausbildenden Unteroffizier weitergeschickt, da dieser mir das alles sicherlich ganz gerne weiter erklären würde. Ich glaube halt nur, er hat auch mal ein wenig eine Pause gebraucht und darum diese Situation einfach ausgenutzt.
Na egal, ich hab mir auf jeden Fall mal den Ausbilder gesucht. Das war gar nicht schwer, da er wie üblich am Rande des Geschehens gestanden ist und dieses genau beobachtet hat. Außerdem durfte ich ihn ja eh schon einmal kennenlernen. Vor ein paar Tagen bei der Schießausbildung. Es war wieder der ganz nette stärkere Soldat mit dem großen Bärtchen, der immer so viel Ausrüstung mitschleppt. Dennoch ist er ein ganz ein geschmeidiger und kann auch super erklären, sodass es wirklich jeder versteht. Ich glaube, den einmal aus der Ruhe zu bringen, das bedarf es schon einiges. Aber wenn, dann Krachts wahrscheinlich ordentlich. Jedenfalls hat er sich genauso gefreut, mich wiederzusehen und ich musste natürlich über die ganzen Eindrücke der letzten paar Tage ausführlich Bericht erstatten. Danach hat er mir alles über die lautlose Sprache ganz ausführlich erklärt.
Diese Führungszeichen sind hauptsächlich dazu da, dass der Kommandant seinen Untergebenen eben lautlos die Kommandos zukommen lassen kann, da es Situationen gibt, in denen man keine Funkgeräte verwenden kann, in die man ja hineinsprechen muss und die eben auch angepeilt werden können oder auch einfach auch nur ganz, ganz leise sein muss. So braucht man eine eigene Sprache, die dieselbe Funktion hat. Diese besteht dann aus ziemlich vielen Zeichen, die jeder Soldat auswendig können muss. Auch gibt es ganz besondere Zeichen zur Einweisung von erdgebunden Fahrzeugen, Luftfahrzeugen und Wasserfahrzeugen. Diese muss man halt alle lernen und zu dem Zweck hat er mir auch ein kleines Buch geschenkt, in dem ich all diese finden und deren Bedeutung auch genau nachlesen kann. Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut und wir sind beide so verblieben, dass wir uns demnächst auf ein gemütliches Bier zusammensetzen werden, da sich bei mir sicher zu diesem Thema noch einige neue Fragen auftun werden.
Vize Rudi und ich haben der Durchführung der Soldaten bei ihrem Auftrag noch einige Zeit zugesehen, bevor wir uns diesen Tag endgültig auf den Heimweg begeben haben. Heute waren wirklich viele neue Eindrücke für mich dabei und als Nachtlektüre habe ich auch ein neues Buch mit lauter tollen Informationen für den Dienst als Soldat bekommen. Das wird sicher noch ein ganz spannender Abend werden.
Video-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2024) | Reintalgasse Enns |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Ennsberg, Enns 1910 |
Archiv | Urheber altes Bild | Postkarte OÖ |
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
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