Tagebucheintrag 4-024 – HUAk
Sonderausstellung HUAk Enns | 2024
“Im Stabsdienst”
Das gestern Nachmittag hat am Ende noch richtig viel Spaß gemacht und nach Dienstschluss sind wir noch ordentlich lange in der Cafeteria gesessen und haben über alle möglichen Themen gefachsimpelt. Den ganzen langen Abend war es wirklich ein schönes und kameradschaftliches Miteinander. Die Stimmung war so, als ob wir uns schon Jahre lang kennen würden und darum ist es dann auch ein wenig später geworden. Demnach war das Aufstehen heute in der Früh nicht unbedingt die erfreulichste Tätigkeit. Doch wer am Vortag lange lustig sein kann, der kann am nächsten Tag auch arbeiten. Also frisch machen, dazwischen noch ein wenig Kaltverpflegung als Frühstück reinstopfen und schauen, dass man runterkommt, denn Vize Rudi wird wahrscheinlich schon warten.
Unsere Fahrt zum Truppenübungsplatz war danach allerdings ein wenig anders als sonst. Ich habe diesmal keine ausführliche Einweisung in den Tag bekommen, sondern es hat sich eher nach einer Art Leistungsabfrage angehört. Der Herr Vizeleutnant wollte auf dem Weg hinauf alles Mögliche von mir wissen. Wie es mir grundsätzlich in den letzten Tagen gegangen ist, ob ich eh alles so weit verstanden habe, ob dabei irgendwelche essenziellen Fragen offengeblieben sind und noch so einiges mehr. Konkreter ist es erst dann geworden, als sich seine Fragen in die Richtung des momentanen Ausbildungsauftrags bewegt haben. Ob ich mich oben im Gelände schon ein wenig zurechtfinden würde, ob ich eh weiß, wo das Kommando ist und auch ob ich den hierarchischen Aufbau der Einheiten, die momentan im Einsatz sind, auch ein wenig verinnerlicht habe. Mir war dabei nicht ganz klar, in welche Richtung das alles abzielt. Aber mit ziemlicher Sicherheit hat es mit meiner heutigen Aufgabe etwas zu tun. Mein mulmiges Gefühl hat mir unmissverständlich vermittelt, dass ich wahrscheinlich heute einmal wirklich in den Einsatz kommen würde. Und genauso sollte es dann auch werden.
Oben beim Bauernhaus angekommen, sind wir gemeinsam in den Raum im hinteren Eck vom Innenhof gegangen, wo vor ein paar Tagen die Befehlsausgabe war. Ich glaube, das dürfte der Kommandoraum sein. Dort hat mich Vize Rudi dem Dienstführenden vorgestellt und gemeint, dass ich das Mädel sei, welches heute als ZBV zur Verfügung steht und beim Tagesablauf tatkräftig mithelfen wird. Na super. Ich als ZBV, was auch immer das sein mag, und dann auch noch überall mithelfen bei Sachen, von denen ich noch nicht wirklich viel Ahnung habe. Das kann ja spaßig werden. Zu allem Übel hat sich dann auch noch der Herr Vizeleutnant für diesen Tag verdröselt. Er hat gemeint, dass er etwas anderes, ganz Wichtiges zu erledigen habe und mich erst am frühen Nachmittag wieder hier im Bauernhaus abholen wird. So, jetzt bin ich komplett alleine dagestanden.
Obwohl, das stimmt ja nicht, es waren ja auch noch die anderen Soldaten alle da. Der diensthabende Offizier hat mich anschließend zur Seite genommen und mir erklärt, was heute so auf der Tagesordnung stehen würde. Ich habe die ehrenvolle Aufgabe erhalten, das Kommando beziehungsweise die Ausbildungsleitung assistierend zu unterstützen. Das heißt, ich werde als Erstes mal alles in einem Buch aufschreiben, was heute so an Entscheidungen getroffen wird. Das nennt man das Kommandotagebuch führen. Zweck von so einem Tagebuch ist es, dass alle Entscheidungen, die die Führung oder diverse Gefechtsabläufe betreffen, immer wieder nachvollziehbar sind. So behält man immer den Überblick über das Ganze und kann dann auch eventuelle Fehlentscheidungen rascher wieder glattbügeln. Im Grunde ist das eh nichts anderes als das, was ich schon immer mache. Ich schreibe ja auch jeden Tag brav mein Tagebuch, um mich später wieder an die schönen Erlebnisse erinnern zu können. Hier allerdings geht es hier rein um die Dokumentation von Aussagen und Entscheidungen, Führungsmaßnahmen und Besonderheiten der Einsatzführung. Das kann also erst mal nicht so schwer sein, einfach nur alles aufschreiben, was gerade so passiert. Weiters werde ich dann aber auch noch die einzelnen Zugs- und Gruppenkommandanten unterstützen, wenn sie etwas brauchen, sowie die Meldestrecke zwischen den auswärtigen Einheiten und dem Kommando aufrechterhalten. Jetzt weiß ich auch, was Vize Rudi mit den ganzen Fragen bei der Herfahrt gemeint hat. Jedoch dürften da heute ein paar Kilometer auf mich zukommen. Also nichts wie los und auf in den Einsatz.
Meine Ausrüstung für heute habe ich dann auch gleich bekommen. Ein großes Buch, diverses Schreibzeug und eine Tasche zum Umhängen. Mehr war nicht. Die erste Aufgabe für mich hat einfach nur darin bestanden, bei der morgendlichen Befehlsausgabe die diversen Lagen, Aufträge und Befehle in dem Buch zu notieren. Anschließend hat mir der Diensthabende ein Kuvert in die Hand gedrückt, welches zu der nicht anwesenden Einheit im Wald gebracht werden muss, sodass diese auch ihren Auftrag für heute erhalten und diesen demnach auch ausführen können. Dazu habe ich noch einen genauen Marschweg mit Karte und Kompass zugewiesen bekommen und habe mich sofort auf den Weg gemacht. Natürlich so, wie es mir befohlen worden ist. Nicht auf den Hauptwegen gehen, immer schön in Deckung bleiben und darauf achten, dass mich keiner sieht. Wenn doch einmal irgendwer daherkommt, einfach verstecken und ruhig verhalten, bis er wieder weg ist.
Nach kurzem Wegmarsch bin ich bei der Gruppe Soldaten eingetroffen und habe dem dortigen Kommandanten, nachdem ich brav Meldung gemacht habe, den Befehl für den heutigen Tag überreicht. Dieser hat diesen dann erst mal auf seine eigenen Verfügbarkeiten umgelegt und anschließend haben wir gemeinsam im Wald ein kleines Modell von der näheren Umgebung gebaut. Kurz darauf sind alle anderen Kommandanten der untergeordneten Einheiten versammelt worden und haben anhand des Modells den Auftrag für den Tag erhalten. Jeder von ihnen hat dabei eine andere wichtige Aufgabe zu erfüllen gehabt. Anhand des kleinen Geländes hat man sich das Zusammenwirken wirklich ganz gut und bildlich vorstellen können. Ich hab natürlich alles ordentlich in dem Buch vermerkt. Natürlich auch immer mit Datum und Uhrzeit.
Nach einer kurzen Pause, in der ich ein wenig mit den Soldaten geplaudert habe, die auf ihren direkten Befehl gewartet haben, habe ich vom ortsansässigen Kommandanten wiederum so ein Kuvert bekommen, welches diesmal zurück ins Kommando gehörte. Wahrscheinlich waren da jetzt seine Entscheidungen drinnen, die die Gesamtführung eben für ihre weitere Planung benötigen wird. Also wieder zurück zum Bauernhaus und dort die Meldung abgeben. Diesmal allerdings auf einem etwas anderen Weg, um nicht eine auffällige und wiederkehrende Spur zu markieren. So ist es dann den ganzen Tag weitergegangen. Ich habe eine Meldung nach der anderen zu einer Einheit und wieder retour gebracht, dazwischen alles in dem Kommandotagebuch eingetragen und ab und zu mal ein wenig Pause gehabt, um meine Füße auf den nächsten Marsch vorzubereiten. Wenn mir das vorher gesagt worden wäre, was heute auf mich zukommt, dann hätte ich mich ja mit Zehennägelschneiden, kaltem Wasser und Socken ohne Löcher schon mal drauf vorbereiten können. Gelernt beziehungsweise vorgetragen hätte ich das Ganze ja schon mal. Aber was solls.
Am späteren Nachmittag ist dann wirklich auch wieder der Vize Rudi aufgetaucht, um mich wieder zurück in die Stadt zu bringen. Er hat es aber auch nicht lassen können, mich mit einem kleinen Grinser im Gesicht zu fragen, wie es heute gewesen ist. Ich glaube, meine Antwort hat er schon vor der Fragestellung gewusst. Dennoch, es war zwar ein ganz schön anstrengender Tag heute und die Füße tun mir dermal wirklich ordentlich weh, aber dieses Gefühl, einmal mit eigener Verantwortung ein Teil von solch einer Einheit zu sein, das kann dir keiner erzählen, das muss man erlebt haben. So war dann auch meine anfängliche Konsterniertheit recht schnell verflogen und unser tägliches Gespräch bei der Heimfahrt verlief wie immer mit den ergänzenden Informationen zu dem tagsüber erlebten. Es war ein schöner Tag.
Video-Erklärung und Informationen zum Thema
Informationen zu der Grafik
Standort des neuen Fotos (2024) | Wald bei Treffling OÖ |
Titel eingearbeitetes altes Bild | Österreichische Soldaten 1918 |
Archiv | Urheber altes Bild | Archiv HUAk Enns |
Die ganze Reise findet ihr unter www.zeitreisende.at
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Besten Dank, das Team von Photographics